Liebe Esther

Idee: Das Computerspiel »Dear Esther« wurde 2011 wegen seines revolutionärem Sorytelling hoch gelobt. Uns als Spieler bleibt keine andere Möglichkeit, als mit unserem alter Ego über eine der Hebriden ähnliche Inselwelt zu laufen. An bestimmten Orten, wie z. B. einem Leuchtturm, einem Strand, einer Klippe oder vor einem Höhleneingang bekommen wir Gedanken und Erinnerungen unseres Charakters zu hören. Aus diesen Bruchstücken beginnt sich in unseren Köpfen langsam eine spannende, aber auch wirre Geschichte zusammen zu setzen.
Das Besondere: Beim wiederholten Durchspielen kommen unserem alter Ego andere Erinnerungen. Details kommen hinzu, was schließlich dazu führt, dass sich die Geschichte in unseren Köpfen von Mal zu Mal ändert. Wie lange sind wir schon auf der Insel, was machen wir hier und wo kommen wir hier — und wer ist eigentlich Esther?

Ich habe mich gefragt, ob diese nonlineare Erzählstruktur auch in einem Buch funktioniert. Das Wegnetz der Insel habe ich in ein Reitersystem (am rechten Blattrand) übersetzt. Wenn man diesem »Pfad« folgt, ist man gezwungen, immer wieder Seiten des Buches zu überspringen, so dass man beim einmaligem Durchlesen — genau wie im Spiel — niemals die ganze Geschichte erfährt. Erst ein wiederholtes Lesen des Buches offenbart neue Details, welche die Geschichte in unseren Köpfen nach und nach ändern wird. Die vier Kapitel sind durch starke Kartons getrennt (Bild 3). An diesen Stellen kann man das Spiel speichern — oder einen leichten Einstieg in das Buch finden. Um das Fragmenthafte der Geschichte zu unterstreichen habe ich außerdem auf eine Bindung verzichtet.

Somit gibt es vielleicht zum ersten Mal nicht »das Spiel zum Buch«, sondern das »Buch zum Spiel«.

Technik: Handarbeit, Digital- und Siebdruck auf Umweltpapier

Ausstellung und Präsentation: Klassik Stiftung Weimar — »Zwischen Materialität und Ereignis: Literatur vermitteln in Museen und Archiven«, Studentische Tagung am 14. — 16. September 2013

Ausstellung: Klassik Stiftung Weimar — »Buchkunst Weimar 2013«, 30. November — 1. Dezember 2013

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Pro einmal Durchlesen erfahren wir ca. 40 der insgesamt 120 Geschichtsstücke.
Die Kombinationsmöglichkeiten sind unzählbar.  Auch im Spiel immer zu sehen: Der Funkturm.

 

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Das Pfadsystem navigiert durch das Buch.

 

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Ein starker, im Siebdruck bedruckter Grafikkarton trennt die Kapitel.

 

Screenshot

Szene aus dem Spiel